2.5. Das Prinzip der Verteilten Belastungen
2.5.1. Zusammenfassung
Bei einer Geometrischen Verankerung muss die grösstmögliche und nicht nur auf bestimmte Bereiche beschrĂ€nkte ImplantatsoberflĂ€che die Verankerungsbelastung mittragen, damit der Knochen ĂŒberall im KnochenVitalitĂ€tsBereich liegt.
Wenn einem Bereich eine bestimmte Funktion zugewiesen wird, verkleinert sich folglich die OberflĂ€che, die teilweise der Verankerung beitragen wĂŒrde.
Damit kein Knochenpunkt zu grossem Druck oder ĂŒbermĂ€ssiger Belastung ausgesetzt wird, was eine RĂŒckbildung des Knochens und starke Schmerzen verursachen wĂŒrde, muss die gesamte möglichst grossflĂ€chige Befestigungszone im Bereich der KnochenvitalitĂ€t bleiben.
Das ist das Prinzip der BelastungsVerteilung.
2.5.2. Fast gleichförmiger Verteilung
Bei einen Schaft mit Geometrischen Verankerung wird die Belastung auf den Knochen ĂŒbertragen und scheint von der Vertikalachse der Diaphyse auszugehen. Dies entspricht einer radialen, quasi gleichmĂ€ssigen Verteilung, das heisst die gesamte KnochenoberflĂ€che, die mit dem Implantat in Kontakt kommt, beteiligt sich an dessen Immobilisierung, und dies gerade auch in Situationen starker dynamischer Einwirkung.
Da jeder Punkt die Belastung mittrĂ€gt, keiner befindet sich extrem ĂŒberlastet.
2.5.3. Die Vorspannung ist unerlÀsslich
Eine Vorspannung des Knochenbettes am Ende der Implantation gilt als wichtiger Faktor zur Verringerung des Risikos von Mikrobewegungen des Schafts im Knochenbett.
SchĂ€fte mit geometrischer Verankerung sind die einzigen unzementierten SchĂ€fte, auf Grund dessen Geometrie der Knochen regelmĂ€ssig unter Vorspannung steht und so ab dem ersten Tag der Implantation vor Mikrobewegungen geschĂŒtzt wird, ohne ein eventuelles Nachwachsen des Knochen abzuwarten.
2.5.4. Beachtung des Gebiets von KnochenvitalitÀt
Um einer Geometrischen Verankerung unter BerĂŒcksichtigung der Bereich der KnochenvitalitĂ€t gerecht zu werden, muss die Belastung der Verankerung einerseits von einer möglichst grossen OberflĂ€che des Implantats und nicht nur einigen ausgewĂ€hlten spezifischen Zonen getragen werden. Andererseits muss verhindert werden, dass ein Bereich oder ein Punkt des Implantats unter starken Druck gerĂ€t oder ĂŒbermĂ€ssig belastet wird und so einer lokalen RĂŒckbildung ausgesetzt wird. Das gesamte Knochengebiet der Implantatsbefestigung muss folglich im Bereich der KnochenvitalitĂ€t bleiben. Das ist das Prinzip der Belastungsverteilung.
2.5.5. Alle Zonen sollen teilnehmen
Wenn ein Implantat mit einer zu kleinen TeilflĂ€che des gesamten ihm zugewiesenen Knochenbetts in BerĂŒhrung kommt, wird die aus Statik und Dynamik des Patienten resultierende Gesamtbelastung auf eine zu kleine FlĂ€che ĂŒbertragen. Wird der Knochen an einigen BerĂŒhrungspunkten mit dem Implantat zu starkem Druck ausgesetzt, bildet er sich an den BerĂŒhrungspunkten zurĂŒck. Die Prothese kann in den Knochen eindringen und hĂ€ufig empfindet der Patient starke Schmerzen, wenn eine kurzfristige Belastung ĂŒbermĂ€ssig gross wird.
Um die Verteilten Belastungen zu erreichen, besteht die Möglichkeit die PrimÀrkontaktflÀche (unmittelbar nach der Operation) mit Hilfe einer sehr genauen Zeichnung des Implantats zu vergrössern. Deshalb lehne ich es ab, verschiedenen Prothesenzonen spezielle unabhÀngige Funktionen zuzuweisen.
Das typische Gegenbeispiel wĂ€re eine Prothese, deren umfangreich gewordener metaphysĂ€rer Teil einzig die Funktion hĂ€tte, das Gewicht des Patienten zu tragen, und deren zylinderförmiger und glatter diaphysĂ€rer Teil einzig die Funktion hĂ€tte, die Implantatachse zu stabilisieren und dem axialen Eindringen der Prothese in keiner Weise entgegenwirken wĂŒrde.
Wenn man nun einen Kragen hinzufĂŒgt, der bei einer BerĂŒhrung mit der Halsschnitt selbst einen PrimĂ€rkontakt verhindert, wird die Prothese nie eine akzeptable und schmerzfreie PrimĂ€rstabilitĂ€t aufweisen.
Meiner Meinung nach muss sich ein zementfreier Schaft auf die gesamte prĂ€parierte KnochenlĂ€nge stĂŒtzen. Alle Bereiche mĂŒssen eine Widerstandsfunktion besitzen, um das Eindringen der Prothese zu verhindern. An allen Punkten absolut gleiche Belastung erzielen zu können, wĂ€re illusorisch. Wenn alle Zonen mitbelastet werden, wird folglich kein Bereich ĂŒberbelastet werden.
2.5.6. Anwendung des Gesetzes der Positive Ableitungen
Um den Eigenschaft der Verteilten Belastungen zu erreichen, muss nicht nur die OberflÀche des Schaftsquerschnittes durchgehend von einem Ende zum anderen wachsen, sondern auch die radiale Entfernung zur Achse von jedem beliebigen Querschnittspunkt.
Zudem erfordert der mathematische Ausdruck dieser Bedingung, dass die PrimÀrableitung der Entfernung in allen Punkten sowie des Schnitts positiv und kontinuierlich und die SekundÀrableitung mindestens kontinuierlich sein muss.
Eine weitere Ă€usserst wichtige Bedingung ist die möglichst radiale Vorspannung des Knochens. Das Knochenbett muss folglich prĂ€pariert und der Prothesenform stark angeglichen werden. Die Prothese muss nicht zwingend an allen Stellen mit dem Kortikalknochen in BerĂŒhrung sein.
Das ist, was ich unter dem Ausdruck Partieller FormKorrektur ausdrĂŒcke.
Unter Anwendung der aufgezeigten mathematischen Regeln erfolgt die Vorbspannung durch ein Einstossen des Schafts am Ende der Implantation. Eine radiale Vorspannung im Knochen erfolgt durch die Anwendung angemessener Bedingungen hinsichtlich der Form des Schaftsquerchnitts.
Ohne jegliche Belastung lĂ€ge der Schaft unbeweglich im Knochenbett, aber bei Beanspruchung durch Belastung verlören jedoch einige Punkte des Schafts mangels Vorspannung, die den Kontakterhalt im Knochen auf dynamische Weise hervorriefe, den Kontakt mit der KnochenhĂŒlle. Mikrobewegungen wĂŒrden relativ zum Knochenbett auftreten und es könnte hinsichtlich der SekundĂ€rstabilitĂ€t keine Osteoinegration erfolgen.
2.5.7. Besondere Berechnung der Raspeln
Zur Optimierung der Belastungsverteilung fĂŒhrte ich mittels Berechnung geringfĂŒgige Unterschiede zwischen den SchĂ€ften und den jeweiligen Raspeln ein und konnte auf diese Weise Schmerzen, die bis dahin bei unzementierten Prothesen als normal galten, fast vollstĂ€ndig beseitigen.
Um die Verteilten Belastungen zu erreichen, ist auch eine Vorbereitung des Knochenbetts mit an das Implantat angepassten Raspeln notwendig. Diese Anpassung erfolgt durch Berechnung der Raspeln, die möglichst zur gleichen Zeit wie die Beschreibung der SchĂ€fte programmiert werden sollte. Die Herstellung der Raspeln sollte bis auf ca. 20 Mikrometer prĂ€zise sein. Die Raspeln dĂŒrfen nicht vollkommen mit dem Schaft identisch sein, da das zusĂ€tzliche Einstossen am Ende der Implantation ansonsten keine Wirkung zeigen wĂŒrde.
Ausreichende Berechnungsmitteln ermöglichen das EinfĂŒhren geringer Grössen- oder Neigungsunterschiede zwischen Raspel und Schaft, um so gezielt und parametriert auf die Vorbelastungsverteilung des Knochens entlang des Schafts einwirken zu können.
Dies wird zum Beispiel bei SLR-Plus-SchĂ€ften fĂŒr mitteltiefe Reoperationen angewandt, durch die eine stĂ€rkere Belastung des intakten tiefer liegenden Kortikalknochens erfolgen soll, wenn der Proximalknochen beschĂ€digt ist.

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