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Die Geometrische Verankerung von Prothesen

2.6. Das Prinzip der Vorspannung

2.5.1. Zusammenfassung

Analog zum Prinzip der bei Stahlbetonbauten angewandten Vorbelastung besteht die Vorspannung der Knochen-Prothesen-Verbindung darin, den Knochen in Spannung zu versetzen, damit er stets in Richtung Implantat komprimiert bleibt.

Dadurch soll verhindert werden, dass das Implantat bei ungĂŒnstig orientierten Belastungen den Kontakt zum Knochen verliert.

2.6.2. Das Beispiel des Vorspannungs in der Architektur

Um die Bildung von Rissen bei massivem Material, das von KrĂ€ften beansprucht wird, die die Rissbildung begĂŒnstigen, zu verhindern oder zu erreichen, dass zwei Elemente einer Verbindung stets in BerĂŒhrung bleiben, selbst wenn sie KrĂ€ften ausgesetzt sind, die die Elemente auseinandertreiben, mĂŒssen im voraus stĂ€ndige KrĂ€fte angewandt werden, die der Rissbildung und Trennung entgegenwirken. Diese KrĂ€fte mĂŒssen stĂ€rker als die auseinandertreibenden KrĂ€fte sein.

Im Baugewerbe bedeutet das Prinzip der Vorbelastung eine elastische im Vorfeld stattfindende Komprimierung der Betonbereiche, die nach der Inbetriebnahme von ZugkrĂ€ften beansprucht werden. Man erreicht dies durch das EinfĂŒhren von dicken Stahlkabeln in die Betonmasse, die durch ihre ausreichende Spannung den Beton auch bei extremen Belastungen weiterhin zusammenhalten.

Das Konzept der Vorbelastung wird hauptsĂ€chlich beim Bau mit Stahlbeton angewandt, kann aber auch auf andere Bereiche ĂŒbertragen werden.

2.6.3. Lösung des Problems : Prothesen, die nur „eingekeilt“ sind

Beim Einstossen eines Prothesenschaftes mit Keilform, dessen Seiten sich zur Spitze hin offensichtlich verringern, jedoch ohne geometrischen kontrollierten Bezug, bleibt der implantierte Schaft stecken, wenn der Operateur den Einschlagwiderstand fĂŒr ausreichend erachtet. Das Knochenbett wird einem Druck in unbestimmten Bereichen und mit unbekannter StĂ€rke ausgesetzt.

An den intensiven BerĂŒhrungspunkten wird dieser Druck zu stark und fĂŒr den Knochen unertrĂ€glich. An diesen Stellen bildet sich der Knochen zurĂŒck, treten Mikrobewegungen auf, erweitert sich das Knochenbett örtlich und bricht der Schaft ein.

Dieses Absinken setzt sich fort, bis die gesamte lasttragende KontaktflĂ€che zwischen Knochen und Implantat ausreichend vergrĂ¶ĂŸert ist und der Knochen erneut Belastungen innerhalb des KnochenvitalitĂ€tsbereichs ausgesetzt ist.

EinbrĂŒche von mehr als 1 cm waren keine Seltenheit mit ZweymĂŒller SchĂ€fte der ersten Generation. SelbstverstĂ€ndlich kam es zu keiner Stabilisierung dieses Zustandes, da keine Osteointegration stattfinden konnte. Mehrere Jahre lang wurde dieser Prozess als normal, ja als Unabwendbarkeit bei unzementierten SchĂ€ften betrachtet.

2.6.4. Die Belastungen sind keine Vorspannungen

Ich möchte daran erinnern, dass die ZweymĂŒller-SchĂ€fte der ersten Generation (1979-1985) weder die Bedingungen der Pyramidale Basisform noch der Konischen Kupplung im Knochen erfĂŒllten. Der rechtwinklige Schnitt und die 4 LĂ€ngskanten dieser SchĂ€fte gewĂ€hrleisteten keineswegs eine konische Kupplung mit dem Knochen, da die Position dieser 4 Kanten zu stark von der Pyramidenform abwich.

Durch das Einstossen am Ende der Implantation kam es natĂŒrlich zur Spannung des Knochens, jedoch nur auf frontaler Ebene, das heisst der Schaftbreite nach. In der Richtung von vorne nach hinten war ein Vorgang Ă€hnlich dem zuvor erwĂ€hnten „Einklemmen“ zu beobachten. Mikrobewegungen von vorne nach hinten traten nicht selten auf und ich habe mit eigenen Augen Amplituden von einem Millimeter nach dem Einstossen beobachtet.

Dank vorausgehender Beobachtungen begriff ich 1984, dass die konische Verbindung mit dem Knochenbett durch die Verwendung einer Pyramidenform fĂŒr den Verankerungsbereich erreicht werden könne. Denn die Pyramide gehört zur mathematischen Familie der Kegel.

2.6.5. Erweiterung und Anwendung der Vorspannung bei Prothesen

Ich ergĂ€nzte folglich meine Berechnungsmethode fĂŒr die entsprechenden SchĂ€fte und Raspeln durch Formulierungen, die eine kontrollierte Vorspannung gewĂ€hrleisten.

Meiner Meinung nach darf der Knochen nie derart extremen Belastungen ausgesetzt sein, dass die KnochenrĂŒckbildungsgrenze auf Grund von Überbelastung ĂŒberschritten wird. Gleichzeitig darf der Knochen aber auch nicht vollkommen unbelastet bleiben. Die Belastung kann kurzfristig vollkommen fehlen, besonders dann, wenn sich beim Gehzyklus die ImplantatsflĂ€che am entsprechenden Punkt von der KnochenflĂ€che entfernt.

Zur ErfĂŒllung dieser Bedingung muss die PrimĂ€rstabilitĂ€t erzielt werden und der Knochen im Bereich der KnochenvitalitĂ€t bleiben. Ich habe nach einer Lösung gesucht, um zu verhindern, dass der Prothesenschaft nicht mehr wie zuvor „eingeklemmt“ ist, das heisst an einigen BerĂŒhrungszonen mit kleiner OberflĂ€che aufgehĂ€ngt ist, aber beim Einstossen auf einer grossen FlĂ€che vorbelastet wird.

2.6.6. Der Prozess der VorspannungsausĂŒbung

Mit einem Schaft, dessen Kanten eine ausreichend pyramidenĂ€hnliche Form bilden, und einer KnochenbettprĂ€parierung, mit Einschlagreserve, mit Hilfe der entsprechend berechneten Raspel, weist die Verbindung sofort eine grosse BerĂŒhrungsflĂ€che auf. Jedoch kann es natĂŒrlich nicht ĂŒberall zur BerĂŒhrung kommen. Die Gesamtbelastung verteilt sich auf diese grosse FlĂ€che.

Das Einstossen am Ende der Implantation setzt den Knochen gleichzeitig unter Spannung, entlang des gesamten Schaftes, vom Zentrum zu den Seiten hin sowie von vorne nach hinten.

Die Spannungen verlaufen strahlenförmig, das heisst sie rĂŒhren scheinbar alle senkrecht von der LĂ€ngsachse des Pyramidenschaftes her. Das Prinzip der Belastungsverteilung ist gewahrt. Auf maximaler FlĂ€che wird der Knochen durch KrĂ€fte, die grösser sind als diejenigen, die den Schaft bei Höchstbelastung letztlich vom Knochen entfernen wĂŒrden, gegen den Metallschaft gedrĂŒckt.

Die Vorspannung ist hergestellt.

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