3.4. Die MULTICON Kupplung
3.4.1. Zusammenfassung
In ErgÀnzung zu den interessanten Eigenschaften der traditionnellen konischen Kupplung ermöglicht die Multikonische Kupplung, die allgemeine Form der Verbindungszone zweier Bestandteile zu kontrollieren, wÀhrend die monokonische Kupplung die Verbindungszone durch ihre Geometrie zwingend einschrÀnkt.
Die multikonische Kupplung ensteht aus der monokonischen Kupplung durch eine Aufteilung in aufeinanderfolgende kegelförmige Bereiche. Dabei sind die entnommenen Bereiche stufenförmig angeordnet, um eine möglichst genaue Anpassung an die erwĂŒnschte allgemeine Form zu erreichen.
Im Fall der Gelenkpfannenimplantate ermöglichte mir die multikonische Kupplung die Bestimmung der Metalldicke unabhĂ€ngig fĂŒr jeden Bereich, um meine theoretischen Prinzipien der Abwanderungs- und Kippresistenz zu erfĂŒllen. Die Polyethylendicke des verfĂŒgbaren Volumens konnte folglich maximale GröĂe erreichen und lieĂ auf diese Weise Platz fĂŒr die mögliche Eingliederung von GleitflĂ€chen aus Metall oder Keramik.
Die ElastizitĂ€t des Metalls ergĂ€nzt durch die des Polyethylens verleiht dem Implantat nahezu ideale IsoelastizitĂ€t. Die natĂŒrliche EinfĂŒgung in ein Becken, das sich stĂ€ndig elastisch verformt, beseitigt die Maximalbelastung in einigen Bereichen.
Die ElastizitĂ€t der Pfanne begĂŒnstigt schlieĂlich ihre Osseointegration und unterbindet ihre Abwanderung.
3.4.2. Anwendungen der multikonischen Kupplung
Ich wandte die Technologie der multikonischen Kupplung bei der Zusammensetzung von Bestandteilen der Gelenkpfannenimplantate, insbesondere den geschraubten Biconpfannen, und bei der Befestigung der Proximalteile an den Distalteilen der tiefen ReoperationsschÀfte der Familie Modular an.
3.4.3. Gemeinsame Eigenschaften der multikonischen Kupplung und der traditionnellen konischen Kupplung
Die Zusammensetzung zweier Implantatsbestandteile mit eingestoĂener konischer Kupplung bietet zahlreiche Vorteile. Diese Technologie ermöglicht die Zusammensetzung von Bestandteilen aus gleichartigen oder ganz unterschiedlichen Materialien. Der Verbindungsvorgang ist nach wie vor Ă€uĂerst einfach, da ein oder mehrere StöĂe in Richtung Kegelachse nach dem Einsetzen genĂŒgen, um die endgĂŒltige Verbindung zu erhalten.
Im allgemeinen geschieht die Positionnierung und Zentrierung auf natĂŒrliche Weise und erfordert weder Aufmerksamkeit noch Regulierung. Es ist selbstverstĂ€ndlich besser, die konische Kupplung zu Verbindungen vorzubehalten, die im Wesentlichen mit Komprimierung in Achsenrichtung arbeiten.
Die Anwendung der konischen Kupplung bei Zusammensetzungen, die auch von Achsenzugkraft beansprucht werden, erfordert eine relativ spitze Winkelung zur GewÀhrleistung einer besonders starken Verbindung.
Wird diese StÀrke nicht zuverlÀssig genug erreicht, muss eine zusÀtzliche mechanische Vorrichtung zur Verhinderung einer möglichen Loslösung vorgesehen werden.
Diese Vorrichtung soll möglichst eine dauernde Achsenvorbelastung der Verbindung gewÀhrleisten (Beispiel der Verbindung mit multikonischer Kupplung des Proximalteils und des Verankerungschafts der Modular-Plus-Prothese, die durch eine Vorbelastungsschraube mit ebenfalls kegelförmigem Kopf entsteht).
3.4.4. Bedeutung des OberflÀchenzustands
Wie bereits erwÀhnt muss der OberflÀchenzustand der Bestandteile einer konischen Kupplung derart beschaffen sein, dass axiales Gleiten der vorhandenen konischen FlÀchen verhindert und ihrer Trennung entgegenwirkt wird. HÀufig weisen die beiden Bestandteile sehr unterschiedliche HÀrten auf und der hÀrtere Bestandteil erhÀlt eine OberflÀchenmikrostruktur, die sich in der entsprechenden OberflÀche des weicheren Bestandteils festsetzen soll.
Die beiden gelÀufigen Beispiele sind der weibliche Keramikkegel, der sich in den Kopf-Hals-Verbindungen auf dem mÀnnlichen mikrogerieften Titankegel festsetzt, und der weibliche Miktrostrukturkegel der Titanpfannen, der sich auf der OberflÀche des mÀnnlichen Kegels des Polyethyleninserts festsetzt.
Die Winkelung der Kegel im VerhĂ€ltnis zur Achse muss in jedem Fall bestimmt werden. Ich möchte daran erinnern, dass konische Kupplungen existieren, deren Winkel zur Erleichterung einer möglichen Zerlegung absichtlich offener ist, auch wenn dadurch die Gefahr von Mikrobewegungen und VerschleiĂscherben besteht.
3.4.5. UnabhÀngigkeit der allgemeinen Formen und Winkelungen
Die Winkelung der konischen Verbindung wird durch die Art der beiden Materialien vorgegeben und kann daher nicht frei zur Anpassung an die allgemeine Form der zusammenzusetzenden Bestandteile gewĂ€hlt werden. Diese Winkelung bestimmt die StabilitĂ€t der Verbindung nach dem EinstoĂen und seine FĂ€higkeit, mögliche Zugbeanspruchungen zu ertragen.
Zwei Beispiele zeigen, dass die von den Materialien vorgegebene Winkelung die Anwendung einer monokonischen Kupplung schwer macht, wenn man gleichzeitig andere Bedingungen erfĂŒllen möchte:
1. im Fall eines Polyethyleninserts in einer Metallpfanne - möchte man zur Nutzung ihres OberflĂ€chenzustands die maximale Polyethylendicke erreichen - erfordert die monokonische Kupplung die Verwendung eines Inserts mit einem Durchmesser, der wesentlich geringer als der AuĂendurchmesser der Pfanne ist. Das ist der Fall bei allen eingestoĂenen kugelförmigen Pfannen, deren Rand stets Ă€uĂerst massiv ist und in denen das Insert aufgrund seines Dickeverlusts einen Teil seiner DĂ€mpfungseigenschaften verliert.
2. im Fall einer Gelenkpfanne, der man eine gewisse allgemeine Biegsamkeit verleihen möchte und bei der die Ă€uĂere Form mehr oder weniger einer Kugel gleicht, ist die monokonische Kupplung nicht anwendbar. Nur bei der multikonischen Kupplung sin die Formen der Bestandteile nicht von der Kupplungswinkelung abhĂ€ngig.
3.4.6. Entstehungsgeschichte der multikonischen Kupplung
Wie erdachte ich das Konzept der multikonischen Kupplung ? WĂ€hrend meines Studiums der optischen Geometrie hatte ich Gelegenheit, die Arbeiten von Augustin Fresnel kennenzulernen. Eine von seinen zahlreichen Arbeiten war die Entwicklung der Stufenlinsen, mit der alle LeuchttĂŒrme ausgestattet sind.
Dank seines Konzepts der Einteilung in konzentrische Stufen konnte Fresnel Linsen von sehr groĂem AusmaĂ und sehr groĂer numerischer Ăffnung herstellen. WĂ€ren diese Linsen aus Einheitsglasblöcken geschnitten worden, wĂ€ren sie mehrere Tonnen schwer.
Augustin Fresnel hatte die Idee, die Geometrie aller optisch aktiven FlĂ€chen einer groĂen Linse beizubehalten, indem er sie nach der Aufteilung der groĂen Theorielinse in Abschnitte auf konzentrische Kreisringe anordnete, und die Glasdicken ohne optischen Nutzen zu beseitigen. So wog die Linse mit schmalen konzentrischen Bestandteilen nur mehr ein Hunderstel derselben massiven Linse.
Die Philosophie dieser Aufteilung in aufeinanderfolgende Abschnitte ĂŒbertrug ich auf die konische Kupplung.
Durch die Aufteilung eines Kupplungskegels mit vorab bestimmter Winkelung in Abschnitte, definiert man eine Reihe kegelförmiger Bereiche mit abnehmenden Durchmessern. Aus den so definierten kegelförmigen Bereichen entnimmt man die Elemente, die sich durch aufeinanderfolgende Stufen an die allgemeine Form des Prothesenbestandteils, das durch konische Kupplung zusammenzusetzen ist,annÀhern.
Diese Einheit kegelförmiger Stufen bildet das, was ich âmultikonische Kupplungâ nenne. Dank der multikonischen Kupplung kann die Titandicke fĂŒr jede Ebene entsprechend der Biegsamkeit, die man der Pfanne auf dieser Ebene verleihen möchte, gewĂ€hlt werden.
3.4.7. Die Vorbelastung des Polyethylens durch die multikonische Kupplung
Eine konische Kupplung, insbesondere jedoch die multikonische Kupplung, hĂ€lt das mĂ€nnliche Bestandteil nach dem EinstoĂen stets im Inneren des weiblichen Bestandteils in Vorbelastung.
Mir fiel auf, dass die groĂflĂ€chige Befestigung der Polyethyleninserts in den Pfannen bei den Implantaten auf dem Markt selten war. HĂ€ufig werden diese Inserts entweder mit Hilfe von Rillen in die Pfanne eingeklickt oder von kreisförmigen Metallringen gehalten.
Verhindern diese Befestigungen zwar, dass das Insert aus der Pfanne springt, so bieten sie dennoch keine absolute ImmobilitÀt.
Insbesondere die AlloPro-ZweymĂŒller-Gelenkpfannen ( an dem ich nicht teilgenommen habe ), lieĂen stets Spielraum zwischen der Pfanne und dem Insert. Trotz ihres kegelförmigen Aussehens bildete die Verbindungszone der monokonischen AlloPro-Pfannen in keinem Fall eine zuverlĂ€ssige Zusammensetzung vom Typ eingestoĂene konische Kuppelung. Ringförmige Einklickvorrichtungen an der Pfanne verhinderten das Austreten des Inserts, ohne es jedoch zu blockieren. SchĂŒttelte man eine Gelenkpfanne ĂŒbrigens, konnte man die StöĂe des Inserts in der Pfanne hören.
Mikrobewegungen konnten gar die Bildung von VerschleiĂscherben des Polyethylens verursachen, wenn dieses gegen die ein wenig schleifende PfanneninnenflĂ€che scheuerte.
Ein bedeutenderes PhĂ€nomen, insbesondere fĂŒr die kleinen GelenkpfannengröĂen (52 und 55) und Köpfe der GröĂe 28: das Polyethylen von 3 mm Dicke an der AuĂenflĂ€che lief Gefahr, zerdrĂŒckt zu werden . Die Delaminierung findet vor allem statt, wenn sich der Prothesenkopf in der NĂ€he der Luxation befindet.
In der Umgebung des maximalen BerĂŒhrungspunktes lĂ€sst der entstehende Spielraum zu, dass das Polyethylen sich zĂ€hflĂŒssig bewegt, ohne dass eine dichte Wand dies verhindern wĂŒrde. Von Natur aus neigt das zwischen den beiden FlĂ€chen der Pfanne und des Kopfes ausgewalzte Polyethylen dazu, eine Lamellenstruktur anzunehmen, die sich von der Masse abhebt, sich ausbreitet und die Verbreitung des PhĂ€nomens ermöglicht. ZerdrĂŒcken und FlieĂen sind aufgrund der fehlenden Vorbelastung möglich.


Diese Probleme können durch die Verwendung von Polyethylen behoben werden, das durch die Vorbelastung der multikonischen Kupplung komprimiert wird. Auf diese Weise ist es sehr viel flieĂresistenter, da es keinen Platz zum FlieĂen hat. Am BerĂŒhrungspunkt des Kopfes verhĂ€lt sich selbst das Polyethylen von geringer Dicke wie ein Polyethylenblock von groĂer Dicke. Das in einem nicht dehnbaren TitanbehĂ€lter enthaltene Insert, mit engem Kontakt und an der gesamten AuĂenflĂ€che unter Druck, kann sich nicht verformen.
3.4.8. Multikonische Kupplung und Dicke der Polyethyleninserts
Im Verlauf der Sitzungen zur Diskussion und Redaktion der europĂ€ischen Normen fĂŒr die orthopĂ€dischen Implantaten wurde die Dicke der Inserts in Frage gestellt. In der Tat waren die Polyethyleninserts, deren Wand zu dĂŒnn war und die sich frei im Pfanneninneren bewegen konnten, möglichen Zerquetschungen, FlieĂbewegungen und Delaminierungen ausgesetzt.
Die Inserts dagegen, die durch die multikonische Kupplung mit der Pfanne verbunden waren, die ihnen stÀndige Vorbelastung und engen Kontakt mit der Metallwand ohne Mikrobewegungen gewÀhrleistete, waren diesen Gefahren nicht ausgesetzt.
FĂŒr die Inserts mit multikonischer Kupplung war folglich die Anwendung einer verpflichtenden Regelung zur Mindestdicke nicht erforderlich.
3.4.9. Die multikonische Kupplung der ModularschÀfte
Bei der Modular-Plus-Prothese fĂŒr tiefe Reoperationen kann mit der multikonischen Kupplung die Verschlankung des Schaftes bei seinem Anschluss mit dem Proximalteil relativ kontinuierlich stufenweise aufgeteilt werden. Auf diese Weise gibt es keinen Bereich, wo der Schaftabschnitt zu abrupt abnimmt und die Zusammensetzung schwĂ€cht.
Die Beschreibung der Entwicklung der multikonischen Kupplung, angewandt bei der Zusammensetzung der Gelenkpfannenbestandteile, wie zum Beispiel bei der Bicon-Plus-Gelenkpfanne, ist ausfĂŒhrlich im ungekĂŒrzten französischen Text des Patents aufgefĂŒhrt (9.8.3.). Die ZuverlĂ€ssigkeit der bei den Gelenkpfannen angewandten multikonischen Kupplung ist bemerkenswert, denn bezĂŒglich der Anzahl der seit 1992 implantierten Gelenkpfannen (die ich auf 500.000 schĂ€tze) erfuhr ich von keinen Problemen oder Folgeoperationen, die zu Lasten der konischen Kupplung gehen. Keine Veröffentlichung erwĂ€hnt Dislozierung, Mikrobewegungen oder VerschleiĂscherben.
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Mein Patent âMultikonische Kupplungâ gehört seit 2009 Smith & Nephew. ----